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Foto: Tobias Hein, Berlin

»Beyond the white cube« Interview mit GRAFT Architekten

Gebäude mit kultureller Nutzung sind stärker als andere Bauten der Gesellschaft verpflichtet. Bis heute wird in Bauprojekten daher gerne auf das etablierte Konzept „außen monumental, innen klassisch neutral“ gesetzt. Die Behauptung des neutralen Hintergrunds allerdings steht gleichzeitig schon länger in der Kritik. Ein Haus für Street-Art war für die Architekten von GRAFT eine willkommene Gelegenheit, ein neues Konzept zu entwickeln, das die persönliche Haltung von Künstlern und Besuchern gezielt herausfordern will.

Wichtig ist es, auch Umwege zuzulassen, um eigene Lösungen zu entwickeln. Nur so lässt sich verhindern, dass man an einmal etablierten Methoden haften bleibt und auf der Stelle tritt. Energie und Innovation entstehen aus unerwarteten Begegnungen und Auseinandersetzungen.

Lars Krückeberg, GRAFT

Interview mit GRAFT-Gründungspartnern Wolfram Putz, Thomas Willemeit und Lars Krückeberg

Foto: Ali Kepenek

Das Urban Nation ist kein klassisches Ausstellungshaus – welche Idee lag Ihrer Arbeit zugrunde?

Was die Kunstwelt angeht, sind wir dankbar, in einem Projekt wie dem Urban Nation Museum mitwirken zu dürfen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ausstellungshäusern wird hier nicht die klassische Erhöhung der Kunst betrieben. Die Künstler sind gefordert, sich mit dem Raum zu messen, sich ihren Raum zu suchen, die neutrale Sphäre nicht hinzunehmen, sondern zu bearbeiten. Genauso wie die Besucher, die hier eine Haltung entwickeln sollen und dürfen. Wir haben immer versucht, „beyond the white cube“ zu denken. Das Museum mit dem Postulat des Künstlers auf einem Sockel vor der weißen Wand ist unserer Ansicht nach nicht das – einzig – richtige Ausstellungskonzept.

Was ist nach Ihrem Verständnis die Aufgabe von Museen und Kulturräumen generell?

Wir sehen unsere Aufgabe darin, Räume zu schaffen, die Denkanstöße liefern, die Menschen anregen, Fragen zu stellen, sich ihre Meinung zu bilden. Ziel ist, dass eine Haltung entsteht. In welcher Gesellschaft lebe ich und in welcher Gesellschaft möchte ich leben – diese Frage herauszufordern, ist auch die Aufgabe von Kulturschaffenden. Und dafür müssen Räume erfunden werden. Das funktioniert vor allem, indem man nicht das Erwartete oder Selbstverständliche liefert. Eher kann das Unerwartete, nicht Berechenbare solche Denkanstöße auslösen.

Über Jahrhunderte hat sich das Konzept von Museen vergleichsweise wenig gewandelt – wie sehen Sie die Zukunft von Kulturbauten?

Zeitgenössische Kulturbauten verpassen unserer Meinung nach oft den Anschluss an die heutige Gesellschaft, die durch Digitalisierung und die daraus folgenden Herausforderungen wie den transparenten Bürger, Big Data etc. vor der tatsächlichen Entäußerung steht. In solchen Zeiten müssen Kulturräume anders agieren, sehr viel offener sein für Entwicklung und ihre behauptete Neutralität aufgeben. Daher wirft ein Haus wie das Urban Nation Museum die richtigen Fragen auf – „das Museum, das es nicht geben dürfte“. Ein Kulturbau, der ein Widerspruch in sich ist und sich ständig verändern muss – hochinteressant für uns als Architekten.

Welche Rolle sollten Architekten in diesem Kontext übernehmen?

Architekten sollten Räume für Kunst zeitgemäß neu denken, sonst werden Kulturhäuser die Generationen von morgen nicht mehr abholen. Dafür ist es wichtig, dass Architekten sich nicht nur als Erfüllungsgehilfen von Bauherren verstehen, sondern eine eigenständige Rolle spielen und vertreten. Es gibt bereits so viel Austauschbares in unseren Städten, zu oft nur die Erfüllung des Erwarteten. Wir sehen die Aufgabe eines Architekten darin, sich von Beginn an die Frage zu stellen, für welchen Inhalt, welchen Zweck ein Gebäude entstehen soll. Dann gilt es, dafür eine eigenständige Lösung zu finden. Kopien und Rekonstruktionen z. B. zeigen, dass es oft keine Ideen gibt, was eigentlich an einem Ort stattfinden soll. Sonst würde man sicherlich einen eigenen Ausdruck dafür finden. Das andauernde Scheitern des Berliner Schlosses an Form und Inhalt ist ein gutes Beispiel. Architekten müssen sich den Aufgaben von heute stellen: Das Urban Nation Museum z. B., ein ganz gewöhnliches Berliner Wohnhaus, wird zu einem neuen Kreativ-Energiezentrum im Bülowkiez und hat womöglich die Kraft, auf das ganze Viertel auszustrahlen.