» Das Springer Quartier belebt die Innenstadt « Interview mit Hinrich Müller
Hinrich Müller, Associate Partner bei gmp in Hamburg, war maßgeblich am Projektentwurf des Springer Quartiers beteiligt.
» Es braucht Kompromissfähigkeit. «
Wie ist das Projekt zustandegekommen?
Das Gebäude des Springer-Verlags in der Hamburger Innenstadt wurde ab 1950 nach Plänen von Ferdinand Streb erbaut und war von 1956 bis 1967 Hauptsitz des Verlags. 2015 hat die Axel Springer SE das gesamte Grundstück verkauft, nutzt das Hochhaus aber weiterhin als Mieter – nicht zuletzt, weil das Büro des Verlegers Axel Springer im 12. Obergeschoss bis heute in seiner ursprünglichen Einrichtung erhalten geblieben ist. Den Zuschlag für den Kauf von zwei der insgesamt drei Teile des Areals erhielt der Hamburger Entwickler MOMENI Gruppe. In zentraler Lage zwischen Kaiser-Wilhelm-Straße und Caffamacherreihe haben wir aus dem denkmalgeschützten Hochhaus und einem daran anschließenden Neubau ein Ensemble aus Alt und Neu entwickelt. Der Neubau orientiert sich in seiner Struktur an der Architektur der 1950er-Jahre und verbindet den Sockel des Hochhauses mit dem Gebäude des Bezirksamtes im Norden.
Die Sanierung des denkmalgeschützten Bestands war mit besonderen Herausforderungen verbunden. Mit welchen konkret?
Die geringe Tragfähigkeit des Bestandsrohbaus machte es notwendig, jede zusätzliche Last zu kalkulieren. In der Konsequenz war der Spielraum gering. Eine weitere Vorgabe war, das Gebäude zu dämmen. Hier war eine enge Abstimmung mit dem Amt für Denkmalschutz vonnöten, denn eine innenliegende Dämmung kam unter anderem wegen der verbleibenden lichten Raumhöhe nicht in Betracht. Die außenliegende Dämmung hingegen durfte die Gestalt des Hochhauses nicht negativ beeinflussen. Der vom Amt gewünschte Erhalt der Verkleidung der Brüstungen aus Natursteinriemchen war aus Gewichtsgründen nicht möglich. Im Hochhaus kamen daher Kastenfenster zum Einsatz. Umgesetzt wurden diese als Kipp-/Drehflügel mit Öffnungsbegrenzern. Eine Doppelverglasung mit außenliegendem Sonnenschutz reduziert den Wärmeeintrag. Eine zusätzliche äußere Prallscheibe bewahrt die ursprüngliche Optik des Bestandsbaus.
Mit Blick auf den Klimawandel, die endlichen Ressourcen und soziale Aspekte wie den bestehenden Wohnraummangel müssen wir unseren Bestand fit für die Zukunft machen, ohne dabei unser baukulturelles Erbe zu beschädigen. Wie gelingt dieser Spagat?
Beim Springer Quartier hatten wir es glücklicherweise mit einer Bauherrschaft zu tun, die großen Wert auf Qualität legt und diese auch im Bestandsbau erkannte. Die Umnutzung von Gebäuden sollte als Alternative zu Abriss und Neubau immer sorgfältig geprüft werden. Ebenso sollte die Wiederverwendung möglichst vieler Materialien aus Gründen der Nachhaltigkeit in Betracht gezogen werden. Es bedarf dabei weniger eines Spagats als vielmehr einer gewissen Kompromissfähigkeit. Oft genügt der Bestand nicht den aktuellen baulichen Vorgaben und Standards. Hier braucht es individuelle Lösungen und Abwägungen, behutsame Eingriffe und kreative Lösungen. Zwischen den berechtigten Anliegen des Denkmalschutzes und den Anforderungen an eine zeitgemäße, nachhaltige Nutzung muss ein Dialog entstehen.
Welche Potenziale sehen Sie für die Umwidmung bestehender Architekturen in multifunktionale Quartiere – und wie lässt sich der richtige Nutzenmix finden?
Die Lage spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahl des passenden Nutzungsmixes. Jedes Gebäude steht in Wechselwirkung mit seiner Umgebung. Ein ehemaliges Kaufhaus liegt meist zentral und öffnet sich dem Publikum. Im Falle des Springer Quartiers war das Gegenteil der Fall. Besonders der Gebäudeteil, in dem ehemals die Druckerei untergebracht war, wirkte wie ein Fremdkörper in der Stadt. Es gab keine belebte Erdgeschosszone. Eine Querung des Grundstücks war nicht möglich. Beides ist im neuen Ensemble umgesetzt: Das Springer Quartier hat den Standort durch eine gelungene Mi-schung aus modernen Büroflächen, Gastronomie, Einzelhandel und öffentlich zugänglichen Freiräumen deutlich belebt und stärkt so die urbane Qualität der Hamburger Innenstadt.
Hinrich Müller kam nach seinem Studium an der TU Braunschweig im Jahr 2000 zu gmp und verantwortete seitdem viele Architektur- und Städtebauentwürfe. Zu den wichtigsten gehören das Museum in Changchun, Bürohochhäuser in Shanghai und Hangzhou sowie die Sanierung und Erweiterung des Springer Quartiers in Hamburg.