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Fotos: Clean Fotostudio GmbH

Territorialbereiche und Wohlbefinden in Pflegeheimen Interview mit Prof. Dr. Gerhard Loeschcke

Eine Pflegeeinrichtung muss die unterschiedlichen Anforderungen von Bewohnern und Mitarbeitern erfüllen – doch lange Zeit stand vor allem die Funktionalität im Vordergrund. Das gilt als passé: Längst hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Architektur verschiedene Bedürfnisse integrieren muss. Privatsphäre, Selbstbestimmung und damit das subjektive Wohlbefinden der Bewohner spielen heute eine gleichwertige Rolle in der Planung von Pflege- und Seniorenheimen. Ein Interview mit Prof. Dr. Gerhard Loeschcke: freier Architekt und Hochschullehrer in Karlsruhe.

Wie kann eine Einrichtung durch architekturpsychologische Ansätze aufgewertet werden?

Bei der Gestaltung von Verkehrsflächen sind wahrnehmungspsychologische Fragen grundlegend. Seh- und Hörprobleme, motorische Einschränkungen und kognitive Parameter erfordern einen weiteren Blick auf Farbe, Material, Licht und Raumakustik. Für Bodenbeläge gilt es z. B. Reflexblendung dringend zu vermeiden. Indirektbeleuchtung ist grundsätzlich vorteilhafter. Die visuelle Orientierung im Raum lässt sich über kontrastreichere Gestaltung verbessern, indem beispielsweise Wände und Böden voneinander abgesetzt werden. Zu hohe Kontraste markieren aber für viele Menschen mit demenziellen Erkrankungen Grenzen, die sie nicht zu überwinden in der Lage sind. Es ist also ein Kompromiss zu finden. Im Sinne der Sozialpsychologie sollten Flurzonen möglichst „kommunikativ“ sein, was man beispielsweise über Nischenbildungen und Aufenthaltszonen mit besonderer Betonung erreicht. Häufig vernachlässigt werden Raumakustik und Schallschutz. Den entstehenden Schall durch absorbierende Oberflächen zu reduzieren, ist eine wichtige Maßgabe.

Prof. Dr. Gerhard Loeschcke barrierefrei altersgerechtes Bauen
Schwerpunkte: Architekturanthropologie, barrierefreies und altersgerechtes Bauen. Erarbeitete die Parameter für barrierereduziertes Bauen als Basis der KfW-Förderungen im Wohn- und Städtebau. Obmann des DIN-Ausschusses Barrierefreies Bauen.

Wie lassen sich die unterschiedlichen Anforderungen von Personal und Bewohnern integrieren?

Wesentlicher sozialpsychologischer Parameter ist der interaktive Bezug zwischen Bewohnern und Betreuern. Große Stationen sind vor allem eins: anonym. Überschaubare und kleinere Wohngruppen schaffen ein persönlicheres Milieu und verbessern die Zufriedenheit auf beiden Seiten. Damit können sich gefestigtere Beziehungen entwickeln – und zwar sowohl unter den Bewohnern als auch zwischen Bewohnern und Personal. Ganz wichtig ist, zwischen Wohn- und Betriebsbereichen zu trennen. Das Pflegepersonal sollte in Ruhe die verwaltungstechnischen Arbeiten erfüllen können. Vom Pflegestützpunkt sollte gute Übersicht über die Abteilung gegeben sein. Die Räume der Bewohner sollten möglichst von Störungen von außen geschützt werden, um Stress zu vermeiden.

Überschaubare und kleinere Wohngruppen schaffen ein persönlicheres Milieu und verbessern die Zufriedenheit auf beiden Seiten. Damit können sich gefestigtere Beziehungen entwickeln – und zwar sowohl unter den Bewohnern als auch zwischen Bewohnern und Personal.

Wie sollten Bäder in Pflegeeinrichtungen aussehen? Welche Konzepte bringen die Bedürfnisse von Pflegepersonal und Bewohnern zusammen?

Bei der Gestaltung der Sanitärräume geht es einerseits darum, das Wohlbefinden der Menschen zu fördern, denn Köperpflege hat auch einen sehr wichtigen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden, andererseits geht es aber auch um ergonomische Belange, wie die Handhabe von Armaturen und die Berücksichtigung von sinnvollen und gesicherten Bewegungsabläufen, um insbesondere auch Unfälle zu verhüten. So ist beispielsweise die Rutschfestigkeit der Böden sehr wichtig. Unabdingbar ist die Dusche bodenbündig auszuführen, um Stürze zu verhindern, die eine der häufigsten Ursachen für stationären Behandlungsbedarf von älteren Menschen ist. Die Nutzung der Räume erfordert es, Bewegungsräume ausreichend groß zu dimensionieren. So ist es in Pflegeheimen notwendig, diese mit dem Rollstuhl nutzen zu können und zusätzlich persönliche Assistenz zuzulassen. Gerade letztere Anforderung bedingt sinnvolle Zuordnung der Sanitärobjekte untereinander, um möglichst kompakte Grundflächen und flexible Nutzungen zu erlauben. Sicherlich ist der Aspekt der Privatheit im Zusammenhang mit der Nutzung von Sanitärräumen besonders brisant und muss daher stark im Fokus stehen. Am meisten Privatheit hat man natürlich, wenn der Sanitärraum eigenständig genutzt werden kann. Zu diesem Zweck stehen Sicherheitssysteme in Form von Stütz- und Haltesystemen zur Verfügung sowie Notrufsysteme, die die Notfälle absichern helfen. Darüber hinaus ist es wichtig, die Bediensysteme – beispielsweise die Armaturen – ergonomisch zu gestalten. Über Verbrühungsschutz von speziellen Armaturen ist zusätzlich Sicherheit gegeben. Moderne Dusch-WCs haben ein sehr hohes, leider noch nicht ausreichend gewürdigtes Potenzial die Privatheit von Menschen zu respektieren – bis hin zur Geruchsvermeidung. Sie erleichtern zugleich die Pflege für das Personal. Für das Wohlbefinden der Bewohner ist die Rolle von Stationsbädern nicht zu unterschätzen. So erlauben diese, dass Menschen ein Bad – lustvoll – genießen können, was häufig angesichts der Bewegungsunfähigkeit der Menschen die einzige Möglichkeit ist, den eigenen Körper wieder zu erfahren. Es gilt hier insbesondere Wohlfühlatmosphäre zu vermitteln. Leider ist meistens das Gegenteil der Fall. Tageslicht und wohnliche Farben und Materialien sind ein Muss, um klinischen Charakter zu vermeiden. Natürlich gilt auch hier, die funktionalen Erfordernisse des Arbeitsablaufs uneingeschränkt zu berücksichtigen.

Was muss in der Innengestaltung beachtet werden, sodass sich ältere Menschen wohlfühlen können und Raum für Privatsphäre erhalten?

Der Psychologe würde sagen, ausreichend die Territorialbereiche beachten. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, dass es halbprivate Übergangszonen gibt, beispielsweise die bereits erwähnten Nischenbildungen in Fluren, die zudem mit einer Sitzbank ausgestattet sein können. Eine abgestufte Zonierung in der privaten Wohnung ist ebenso sinnvoll. Selbstverständlich ist ja heute, dass es fast keine Doppelzimmer mehr gibt. Früher undenkbar, wird heute nicht mehr in Frage gestellt, die eigenen Möbel mitzubringen und die Räume individuell auszugestalten. Gerade letzterer Aspekt erfordert Flexibilität, d. h. adäquate Grundfläche und Raumproportionen sowie Zuordnungen von Zugangs- und Durchgangsbereichen.